Maria Montessori wurde am 31. August 1870 in Chiaravalle bei Ancona geboren.

 

Sie wuchs in den Kreisen der neuen politisch herrschenden Elite auf. Ihr Vater, Alessandro Montessori, war Finanzbeamter mit eher konservativem Denken. Ihre Mutter, Renilde Stoppani, eine aufgeschlossene, gebildete, vor allem aber selbstbewusste Frau, die sich zwar in der Familie der traditionellen Rollenverteilung annahm, für ihre Tochter allerdings ein emanzipiertes Leben wünschte. Sie unterstütze Maria in allen ihren Vorhaben. Das kleine Mädchen kam schon früh in Berührung mit dem Aufeinanderprallen von Tradition und Moderne. Ihr Onkel, Antonio Stoppani, war Priestergelehrter und Geologieprofessor in Mailand, der sein Leben lang versucht hatte, die Dogmen der römisch-katholischen Kirche mit den modernen Naturwissenschaften zu verbinden. Er hinterließ einen tiefen Eindruck bei Maria Montessori. (vgl. Schwegman 2002, S. 20ff.) Auch das damalige kulturelle Klima, die Stimmung der Vereinigung und schließlich der Trend zur Liberalisierung beeinflussten Montessoris Bild und ihre eigene Stellung in der Welt. (vgl. Kramer 1996, S.32ff.)

 

Als die Familie im Jahre 1875 nach Rom zog, besuchte die kleine Maria zunächst eine Grundschule, wo sich schon früh ihre ausgeprägte mathematisch-naturwissenschaftliche Begabung zeigte.

 

Das damalige Schulsystem in Italien konnte den Verstand und die Phantasie der Kinder nicht entwickeln. Nicht nur, dass die Klassen überfüllt und schmutzig waren, es gab kaum Materialien wie Bücher, Tinte oder Federn. (vgl. Standing o.J., S.31f.) Montessori erfuhr am eigenen Leib, was ein schlechtes Schulsystem bedeutete. Sie hatte schon als Kind ein „starkes Gefühl für eine persönliche Würde“ (Standing o.J., S. 10) und war in schon in der Grundschule eine Art „Anführerin“ ihrer Schulkameraden, die ihre Autorität mit einer gewissen Strenge ausübte. (vgl. Schwegman 2002, S.24) Sie soll einmal einem Kind, mit dem sie Streit hatte, gesagt haben: „Bitte erinnere mich daran, dass ich beschlossen habe, nie wieder mit Dir zu sprechen.“ (zit. nach Kramer 1996, S.32)

 

In eine traditionellen Mädchenrolle passte Maria schon als Kind nicht hinein. So entschied sie sich auch statt einer Ausbildung im Bereich Sprache und Literatur – die für die weibliche Bevölkerung vorgesehen war – zu machen, eine technische Oberschule mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt zu besuchen.

 

Gegen Ende der Schulzeit erwachte in Montessori der Wunsch, Medizin zu studieren, was zu dieser Zeit nicht nur als extravagant betrachtet, sondern schlicht und einfach unmöglich war, da dieser Berufsweg in Italien nur Männern vorbehalten war. Ihr erster Aufnahmeantrag wurde dementsprechend abgelehnt. Maria Montessori aber gab nicht auf, einige Biographen wie z.B. Standing berichten, sie sei zum Erziehungsminister Herr Bacelli gegangen, der ihr sagte, ihr Vorhaben sei aussichtslos. Ihre Antwort darauf lautetet: „ich weiß, dass ich Ärztin werde“. (zit. nach Standing o.J., S.11) Laut Kramer gab Montessori 20 Jahre später in einigen Interviews in Amerika bekannt, dass der Heilige Vater, Papst Leo XIII, sie persönlich unterstütze und den Weg für sie frei gemacht habe. (vgl. Kramer 1996, S. 42f.) Wie Montessori es genau geschafft hat, kann nicht genau nachvollzogen werden. Sicher ist, dass sie im Jahre 1890 ihr Medizinstudium an der Universität von Rom begann, welches sie sechs Jahre später erfolgreich mit ihrer Doktorarbeit über „Antagonistische Halluzinationen“ im Fach Psychiatrie abschloss. Ob sie die erste Medizinstudentin Italiens war, wie es oft behauptet wird, (vgl. Kramer 1996, S.43) entspricht nach manchen Wissenschaftlern[1] -wie z.B. Tenorth oder Schwegman – nicht den Tatsachen, deshalb verzichtet diese Bachelorarbeit Montessori als erste Doktorin Italiens zu bezeichnen. Über ihre Studienzeit als Frau unter Männern existieren viele Geschichten, so wird z.B. geschildert, dass sie den Hörsaal erst nach den männlichen Studenten betreten durfte oder wie sie nachts, alleine ihre anatomischen Übungen durchführen musste. (vgl. Kramer 1996, S.46ff.; Standing o.J., S.12ff.) Sie schloss ihr Studium mit hervorragendem Ergebnis ab und bekam sofort eine Assistenzarztstelle in einer Psychiatrie in Rom und betrieb nebenbei auch eine private Arztpraxis.

 

Alle Erfahrungen als Studentin stärkten nicht nur Maria Montessoris Selbstbewusstsein, sondern machten sie auch in Italien bekannt. In Kramers Biographie steht folgendes Zitat von Montessori selbst, welches sie, direkt nachdem ihr der Grad eines Doktors der Medizin verliehen wurde, an eine Freundin schrieb:

 

„ …Nun ist alles vorbei (…) Also hier bin ich: berühmt! Andererseits, meine Liebe, ist es nicht sehr schwierig, wie du siehst. Ich bin nicht berühmt wegen meines Könnens oder meiner Klugheit, sondern wegen meines Mutes und meiner Kaltblütigkeit gegen alles. Das ist etwas, was man immer erreichen kann, wenn man will, aber es kostet schreckliche Anstrengung.“ [sic!] (zit. nach Kramer 1996, S.60)

 

Das ist genau die Einstellung und Arbeitsmoral, die Maria Montessori in ihrer weiteren Laufbahn auszeichnete – wie Schwegman aus einem ihrer Briefe, die sie an die Eltern schickte, zitiert: „ich werde ernsthaft und hart arbeiten.“ (zit. nach Schwegman, 2001 S.72) Paradoxer Weise brachte genau diese harte Arbeit ihr einige Jahre später viele negative Bewertungen über ihre Persönlichkeit und zahlreiche Kritiker in Bezug auf ihre pädagogischen Bemühungen. (vgl. Böhm 2010, S.20ff.; Kramer 1996, S.274)

 

In Italien wurde sie nach Beendigung ihres Studiums gefeiert und als Delegierte gewählt, ihr Land auf einem großen Frauenkongress in Berlin zu vertreten. Ihre Reden, die sie frei gehalten hatte, waren ein großer Erfolg. Zurück in Italien angekommen, engagierte sie sich für soziale Gerechtigkeit, für Kinder und für das Wahlrecht und die Emanzipation der Frauen.

 

Ein wichtiges Ereignis geschah im Jahre 1898: Sie brachte ihren unehelichen Sohn Mario zur Welt. Sie hatte einige Jahre zuvor eine Liebesbeziehung mit ihrem Kollegen, Dr. Giuseppe Montessano, angefangen und wurde schwanger. Sie hielt die Schwangerschaft und die Geburt ihres Sohnes geheim und gab ihn außerhalb von Rom zu einer Pflegefamilie. Ob der Grund dafür tatsächlich darin lag, dass der Wissenschaftler Dr. Montessano sich kein familiäres Leben vorstellen konnte und sein gekränkter beruflicher Stolz die beiden in einen Konkurrenzkampf verwickelte (vgl. Schwegman 2002, S.84) oder ob Maria Montessori das einzige Mal in ihrem Leben dem Druck ihrer Familie nachgab und ihren Sohn weggab (vgl. Kramer 1996, S.115; Schwegman 2002, S.179), sind nur Spekulationen, da Maria selbst nie eine Erklärung dazu abgab. Deshalb findet sich wahrscheinlich in Standings Biographie (o.J.) keinerlei Hinweis auf dieses Ereignis. Fakt ist, dass Montessori nach dem Tod ihrer eigenen Mutter im Jahre 1913 ihren Sohn Mario zu sich holte und er fortan nicht mehr von ihrer Seite wich. (vgl. Schwegman 2002, S.184) Er wurde später zu ihrem Assistenten und ihrer rechten Hand und nach dem Tod Maria Montessoris führte er ihre Arbeiten fort.

 

Schwegman (2002, S.103) bringt die Enttäuschung und die entstandene Gefühlskrise, die Montessori durch den Verrat der eigenen Mutter erlebte – sie bewegte Maria zum Verleugnen des eigenen Sohnes – mit Montessoris neuen Bekanntschaften mit einigen „unkonventionellen Frauen“ in Zusammenhang. Sie freundete sich z.B. mit Sibilla Aleramo, der Gründerin der feministischen Zeitschrift „L‘Italia femminile“, an, die die Meinung vertrat, dass „eine Frau ihren eigenen Emanzipationsprozess nicht der Mutterschaft opfern soll“. (Schwegman 2002, S.105) Es scheint so, als wäre Maria Montessori als emanzipierte Frau genau dieser Anweisung gefolgt. Allerdings reichte ihr diese Rechtfertigung nicht aus. Sie zog sich in einem Kloster in der Nähe von Bologna für einige Monate zurück und kehrte in sich. Da sie im Katholizismus keine Antworten auf ihre spirituellen Fragen erhielt, wandte sie ihr Interesse der Theosophie von Helena Petrovna Blavatskys zu und wurde Mitglied der Theosophical Society. Blavatskys Theosophie erhob den Anspruch, dass man nicht nur durch den Glaube an Gott, sondern auch durch Denken und Wissen zur esoterischen Erkenntnis durchdringen könne. Um eine ausgeglichene Lebensweise führen zu können, ist die Meditation des eigenen Innenlebens nötig, denn nur so können Liebe und Weisheit auf harmonische Weise miteinander verbunden werden und sich in einem tiefen Respekt vor allen Lebensbereichen äußern. (vgl. Schwegman 2002, S.110) Montessori fand in der Meditation genau den Halt, den sie brauchte, um weitermachen zu können. (vgl. Kramer 1996, S.404)

 

Wie sehr sich das Seelenleben von Maria Montessori durch die Geburt veränderte, wurde sechs Monate nach der Entbindung in einer ihrer Bemerkungen auf einem Turiner Kongress deutlich: Sie betonte die neue Leidenschaft, von der sie getrieben wurde; die Bedeutung der Liebe als Erziehungsinstrument. (vgl. Schwegman 2002, S.83) Aus der kühlen Naturwissenschaftlerin wurde allem Anschein nach ein gefühlvoller Mensch. Ihr Kampf gegen die damalige Männerherrschaft und gegen das Bild einer Frau als friedsame Mutter begann. Ab sofort galt nicht mehr die zurückhaltende, ihr Blick nach unten senkende Frau als ideales Mutterbild: Die neue Frau – auch als Mutter – war stark, selbstbewusst und kämpferisch. Sie hielt verschiedene Vortragsreihen u.a. mit dem Titel „Die neue Frau“. Ihr Thema erfuhr großes Interesse. Sie hielt ihre Reden immer vor überfüllten Sälen in Mailand, Padua, Venedig, Genua und im Ausland in London und Wien. Die Einnahmen spendete sie an soziale Einrichtungen. (vgl. Kramer 1996, S.96ff.)

 

Langsam aber sicher erarbeitete sie sich auch eine internationale Karriere.

 

1899 wurde sie vom damaligen Erziehungsminister Dr. Guido Baccelli – der ihr acht Jahre vorher nahegelegt hatte, sich das Medizinstudium als Frau aus dem Kopf zu schlagen – persönlich mit der Leitung eines neu eröffneten medizinisch-pädagogischen Institutes zur Ausbildung von Lehrern für schwachsinnige Kinder beauftragt. (vgl. Kramer 1996, S.96) Dort entwickelte sie zwei Jahre lang ihre Spezialmethode zur Beobachtung und Erziehung schwachsinniger Kinder und bildete die Lehrer nach ihrer Methode aus. Diese zwei Jahre waren die einzigen praktischen Jahre, in denen Montessori sich tatsächlich von morgens bis spätabends mit den Kindern beschäftigte. (vgl. Standing o.J., S.16; Kramer 1996, S.110ff.)

 

Zusätzlich wurde sie als Expertin und Prüferin einer Lehrerbildungsanstalt für Frauen berufen, wo sie Vorlesungen über Hygiene und Anthropologie hielt. Hier erarbeitete sie sich zunehmende Vertrautheit mit der Geschichte und den Methoden der Pädagogik. (vgl. Kramer 1996, S.106)

 

Maria Montessori verließ die Institution, in der sie als Direktorin fungierte und wandte sich nun mehr dem Thema der Kindererziehung zu. Sie wollte herausfinden, wie es dazu kommen konnte, dass das Schulsystem die Kinder im Stich ließ, denen es eigentlich helfen sollte. Da es bis dato keinen Lehrplan zu diesem Thema gab, stellte sie für sich einen eigenen zusammen. Sie begann Anthropologie, Experimentalpsychologie und Erziehungsphilosophie zu studieren. (vgl. Kramer 1996, S.117) Sie machte sich mit den Ideen von Fröbel, Rousseau, Herbart und Pestalozzi bekannt. Die von diesen Männern stammenden Entwicklungen in der pädagogischen Arbeit hinterließen bei Montessori großen Eindruck. Auch an den von Seguin entwickelten Materialien für geistig behinderten Kinder arbeitete sie weiter, mit dem Ziel, diese bei „normalen“ Kindern anwenden zu können. (Standing o.J., S. 39f.; vgl. Schwegman 2002, S. 118f.)

 

Durch die Zuwanderung vom Land lebten immer mehr Kinder in Rom, deren beide Eltern arbeiten mussten, um zu überleben. Die Kinder gingen entweder selbst in Fabriken arbeiten oder verwahrlosten auf den Straßen und in leerstehenden Gebäuden. Maria Montessori erkannte, dass es an der Zeit war, ein neues Erziehungssystem herauszuarbeiten.

 

Als sie dann im Jahre 1907 von den Direktoren der Beni Stabili, einer Gruppe reicher Bankiers, die sich vornahm einen Stadterneuerungsplan zu verwirklichen, gefragt wurde, ob sie die Leitung der entstehenden Kindertagesstätte im Elendsviertel San Lorenzo übernehmen würde, war es für Maria Montessori selbstverständlich, auch diese Herausforderung anzunehmen. (vgl. Kramer 1996, S.137) Ursprünglich sollte sie die Tagesstätte nur überwachen, aber Montessori hatte andere Pläne: endlich sah sie die Möglichkeit ihre Erziehungsideen und Methoden in einem laborähnlichen Versuch empirisch zu überprüfen.

 

Die Einrichtung wurde als Casa dei Bambini am 06.01.1907 eröffnet und Montessoris pädagogische Laufbahn begann. Aus den anfänglichen einmal wöchentlichen Besuchen – mit der Beaufsichtigung der Kinder wurde eine Helferin beauftragt – entwickelte sich dann eine tägliche Anwesenheit Montessoris. Sie beobachtete die Kinder ganz genau, schrieb ihre Beobachtungen auf, entwickelte neue Materialien, die sie an den Kindern getestet hatte, führte Messungen durch, die sie in einer Tabelle zusammenfasste. Kein praktisches Detail ließ sie unbeachtet. Durch den Respekt, mit dem sie den Kindern begegnete, erreichte sie bis dahin unvorstellbare Ergebnisse bei den Kindern. Innerhalb von wenigen Monaten entwickelte sich aus den anfänglich desinteressierten, verwirrten und oft mürrischen Kindern eine vorbildhafte Kindergruppe, die großes Interesse am Lernen zeigte und nicht nur fleißig, sondern auch verantwortungsbewusst geworden war. Immer mehr Besucher kamen aus aller Welt, um sich dieses „Wunder“ anzuschauen. Eine Gruppe von begeisterten Lehrerinnen sammelte sich um Montessori, die in ihrer Arbeit einen Sinn für ihr eigenes Leben fanden: Kinder nach dem Vorbild von Montessori zu erziehen. Ab dem Jahre 1908 eröffneten in ganz Italien weitere Casa dei Bambini Häuser, in denen Maria Montessori ihre Schülerinnen mit der Leitung beauftragte. Montessori hielt Ausbildungskurse und arbeitete fortan eng mit der „Societá Umanitaria“, einer angesehenen philanthropischen Institution aus Mailand. Diese übernahm im Laufe der Jahre das Patronat für Lehrerbildungskurse, Konferenzen, Ausstellungen, Lehrmaterial und gründete weitere Montessori Schulen. (vgl. Kramer 1996, S.162ff.)

 

Diverse Presseberichte fanden nun den Weg über die Grenzen Italiens hinaus und wurden besonders in England und den USA veröffentlicht. (vgl. Schwegman 2002, S. 195ff.) Nicht nur Erzieher, auch Ärzte, Gesetzgeber, Eltern, Schriftsteller und Universitätsprofessoren waren fasziniert von den Erfolgen der Casa dei Bambini Schulen. In diesem, auf Reformen angewiesenen Zeitalter, bot das Montessori System eine Möglichkeit zur Veränderung des Erziehungswesens. Auf der ganzen Welt wurden Montessori Häuser eingerichtet – in England, Amerika, Australien, Argentinien, Russland und Indien. (vgl. Standing o.J., S.37ff.)

 

Maria Montessori gab im Jahre 1909 ihre Tätigkeit als Ärztin auf und widmete sich von nun an nur noch der Verbreitung der Montessori Methode. Sie bereiste die ganze Welt, hielt Vorträge, Ausbildungskurse und veröffentlichte zahlreiche Publikationen.

 

Nach dem ersten Weltkrieg erfuhr Montessori weitere Triumphe in England, Schottland, Irland und Holland: es wurden Montessori-Gesellschaften gegründet und es folgte eine feste Eingliederung ihres Systems in den dortigen Schulen. (vgl. Kramer 1996, S.330) In ihrem Heimatland geriet sie fast in Vergessenheit, auch wenn eine Gruppe treuer Anhänger sich immer noch um Montessori und ihrer Methode kümmerte, die Bewegung wuchs nicht über den engen Freundeskreis hinaus. Erst ab dem Jahre 1924 erlebte die Montessori-Gesellschaft eine zweite Blüte – wenngleich dies auch ihren Niedergang bedeutete.

 

Mit der Verbreitung der faschistischen Ideologie nahm Benito Mussolini die Regierung an sich. 1922 bat er Maria Montessori zu sich und verkündete ihr die offizielle Anerkennung der Montessori Bewegung, was gleichzeitig eine verbreitete Einführung des „Montessorianisches Systems“ durch die italienische Regierung bedeutete. (vgl. Schwegman 2002, S. 239ff.) Montessori willigte ein und es wurde die „Opera Nazionale Montessori“ gegründet, wo Mussolini anfänglich als Ehrenvorsitzende fungierte, bis er im Jahre 1926 die Präsidentschaft übernahm. (vgl. Kramer 1996, S.339; Schwegman 2002, S. 251) Für sein Vorhaben einen modernen Industriestaat aufzubauen, brauchte er Untertanen, die lesen und schreiben konnten und die Ordnung und Disziplin gewohnt waren. So interpretierte er für sich Montessoris Erziehungsidee und bis Maria Montessori selbst bewusst wurde, dass Mussolini nicht in der Lage war, ihre tatsächlichen Endziele zu verstehen, war es schon zu spät. (vgl. Kramer 1996, S.332ff.) Montessori ließ ihre Enttäuschung darüber in einem Kündigungsbrief von 1933 freien Lauf: „auch den Name Montessori sollte diese Schule ablegen, weil von meiner Methode in dieser Schule keine Spur mehr zu finden ist“. (zit. nach Schwegman 2002, S.257f.) Als Mussolini 1934 Maria Montessori zum „Botschafter der Kinder“ ernennen wollte, lehnte Montessori dies mit der Begründung ab, sie würde es nicht als Vertreterin der italienischen Regierung tun und trennte sich endgültig von Mussolini und dem Faschismus, woraufhin ihre Einrichtungen in ganz Italien geschlossen worden. (vgl. Kramer 1996, S.388ff.; Schwegman 2002, S.259f.)

 

Schon im Jahre 1914 begannen die Streitigkeiten um die Verwendung des Namens „Montessori“ – zuerst in den USA, dann auch in England. Maria Montessori bestand hartnäckig darauf, alle Aspekte der Anwendung ihrer Methode und die Ausbildung der Lehrerinnen selbst in der Hand zu behalten. (vgl. Kramer 1996, S.287) Ihr Wille, das Erreichte zu beherrschen, führte zu unvermeidlichen kommerziellen Aspekten, die einen bitteren Beigeschmack hervorriefen. Zwar eröffneten weiterhin Montessori Häuser – auch in Holland – aber die Person Maria Montessori spaltete die Welt. Als sie dann unter dem faschistischen Regime Mussolinis ihr „Geschäft“ weiterhin ausbaute, wandten sich immer mehr Anhängern von ihr ab. Auch wenn sie dies nicht (nur) aus finanziellen Gründen tat und auch wenn sie naiv daran glaubte, die Kinder Italiens für eine friedensvolle Welt erziehen zu können, halten ihr einige Montessori Kritiker, wie z.B. Héléne Leenders, diese Zeit immer noch vor. (vgl. Böhm 2010, S.23) Schwegman (2002, S.245) beschreibt den Entschluss Montessoris, dem faschistischen Italien und Mussolini endgültigen den Rücken zu kehren, wobei bei dieser Abwendung nicht nur ideologische, sondern auch private Gründe mitgespielt haben sollen. Mario Montessori hat sich dem Militärdienst entzogen und es gab Annahmen dafür, dass die italienische Polizei ihn festhalten wollte. 1934 floh Maria Montessori mit ihrem Sohn, ihrer Schwiegertochter und ihren vier Enkelkindern nach England und setzte sich von nun an für eine Friedenserziehung ein, die über die einzelnen Völker hinausgeht. Das Kind sei der Schöpfer des neuen Weltfriedens, verkündete Montessori überall auf ihrer Reisen in Indien, Holland und Österreich.

 

Nach dem zweiten Weltkrieg führte sie ihre Ausbauarbeit von Montessori-Gesellschaften weltweit fort, überarbeitete ihre früheren Schriften und hielt 1947 und 1950 Vorträge vor der UNESCO mit dem Titel „Frieden und Erziehung“. (vgl. Kramer 1996, S.425) Maria Montessori wurde zum Symbol der Hoffnung auf Erziehung und Weltfrieden. (vgl. Kramer 1996, S.429) In ihren letzten Jahren erlebte Montessori große, weltweite Anerkennung. Ihr wurden diverse Ehrendoktortitel von verschiedenen Universitäten verliehen und sie wurde dreimal für den Friedensnobelpreis nominiert. (vgl. Schwegman 2002, S. 277-278)

 

Ihr Sohn Mario begleitete sie bis zu ihrem Lebensende. Maria Montessori starb am 6. Mai 1952 in Nordwijk aan Zee an einer Gehirnblutung. (vgl. Kramer 1996, S.435)

 

Tenorth (vgl.2003, S. 77): „Dabei war sie keineswegs- wie eine Montessori Legende hierzulande behauptet – die erste Italienerin, die in Medizin promovierte“ oder aber Schwegman (vgl.2002, S.50), in dem Sie eine Frau, Namens Anna Kuliscioff nennt, die bereits vor Montessori Medizin in Italien studiert hatte

(Verfasserin: Szilvia Varga-Kalmar 2016)